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Spieglein Spieglein, wo sind die schönsten Wände im ganzen Land?

Spieglein, Spieglein an der Wand, welche ist die Schönste im ganzen Alpenland? Welche war eure schönste Alpenroute? Für mich waren es nur selten die bekannten Klassiker. Tolle Linien, perfekte Felsqualität, und eine gute Absicherbarkeit waren mir neben einer schönen Umgebung immer schon wichtiger als große Namen. Meine höchst subjektive Auswahl findet ihr hier in unserem Alpinblog. Die Topos dazu und viele mehr, in unseren Kletterführern.

 

 

 

| In der "Contamine" - Pointe Lachenal (Mont-Blanc).

Welche ist wohl die schönste im ganzen Land?

Dass die Geschmäcker bisweilen weit auseinanderdriften, ist nicht erst seit heute so. Dementsprechend unterliegt auch unsere Auswahl höchst subjektiven Kriterien und Eindrücken, die im Laufe eines Klettertages entstehen. Denn genau dort beginnt die Bewertung und persönliche Einstufung der gerade gekletterten Route. Es gibt Tage mit intensiven Erlebnissen, die für Glücksmomente sorgen. Andere, an denen alles schief zu laufen scheint. Touren, für die man sich richtig anstrengen muss. Und andere, die man einfach „hoch rennt“ und schnell wieder vergisst. Aber es gibt auch solche, an die man sich sein Leben lang erinnert. Egal aus welchem Grund. Und diese sind es dann eben, die besonders gerne ins Tourenbuch eingetragen werden.  

 

Auswahlkriterien

Kann nur eine berühmte oder berüchtigte Tour eine Toptour sein? Nur eine, die so richtig fordert, weil sie vielleicht brüchig ist oder mit heikler Absicherung glänzt? Ist eine Tour nur deshalb gut, weil schon Tausende Seilschaften drübergerutscht sind? Wer sind hier die Meinungsmacher, und wie wird eine Route zur Legende? 

 

| Die Aiguille Dibona - ganz sicher einer der formschönsten Berge mit einigen 5* Routen noch dazu.

Die Klassiker

Wir müssen weit in der Zeit zurückgehen, dorthin, wo alles begann. In einer Zeit, als sich die ganze Welt im Krieg befand, gingen „Detassis & Co.“ auf Tourensuche. Allein das macht schon nachdenklich. Und genau zu dieser Zeit entstanden einige der wohl unumstritten schönsten Touren, die auch heute noch Wiederholer in ihren Bann ziehen. Es sind die puren Linien über Grate, durch Risssysteme oder Prachtverschneidungen, die mit ihrer Eleganz jede Generation aufs Neue begeistern. Klassiker wie die Badile Nordkante oder die „Via delle Guide“ am Crozzon di Brenta sind Meisterwerke und stehen auf jedem Wunschzettel zu recht ganz weit oben. Doch schon viel früher wurden die „Charakterberge“ bestiegen, die mit ihrer Form die Menschen förmlich anzogen. Matterhorn, Aiguille Dibona (nach ihrem Erstbesteiger benannt), Guglia di Brenta, Aiguille Pierre André sind wohl die skurrilsten Bergformen, die nicht nur die Blicke der Kletterer magisch anziehen. 

Später kam dann eine Zeit, in der die großen Alpenwände durchstiegen wurden. Walkerpfeiler, Frêney, die Eigerwand und nicht zuletzt Comicis Route durch die Nordwand der Großen Zinne. Sie ist wohl die einfachste und somit auch am häufigsten wiederholte aller großen Nordwandrouten der Alpen.

 

 

 

 

 

| Piz Badile - nach wie vor ein Traumziel für viele. Dabei verdient aus meiner Sicht "nur" die Nordkante das "Gütesiegel".

Das Bohrhakenzeitalter

Die Entwicklung hin zum modernen Alpinismus verlief relativ zäh. Lange wurde – und mancherorts wird heute immer noch – an alten Traditionen festgehalten. Erst in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden durch die „serienmäßige“ Verwendung von Bohrhaken viele weitere Edelsteine zu Diamanten verarbeitet. Unter sparsamster Verwendung der Neuzeitsilberlinge aber mit der Sicherheit „betonierter“ Stände begann Michel Piola im Mont-Blanc-Gebiet eine Erschließungswelle, die wohl als einmalig in den Alpen bezeichnet werden kann. Nicht weniger als 15! der hier vorgestellten Routen gehen auf sein Konto. Mit nur ein bis zwei geschickt platzierten Bohrhaken in den sonst nicht absicherbaren Plattenpassagen verschaffte er sich den Zutritt zum nächsten Riss, der dann wieder mit mobilen Klemmgeräten abgesicherten werden konnte. Gibt es einen perfekteren Erschließungsstil? Ich meine nein! Und das ist noch viel zu wenig des Lobes! Ich behaupte mal, 90 Prozent seiner Routen haben vier Sterne oder mehr verdient. Diese Quote dürfte wohl von künftigen Generationen nicht mehr zu toppen sein. Er hatte eben den nötigen Weitblick und nicht zuletzt immer das Quäntchen Glück oder sagen wir besser das Können, um Routen dieser Güteklasse hervorzubringen. In der Dauphiné hingegen ist es Jean-Michel Cambon, dem viele schöne Routen gelungen sind. Und im Sarcatal sowie den Dolomiten engagieren sich Diego Filippi und Roly Galvagni mit viel Herzblut für das Klettervolk.

Plattendiretissimas

Ebenfalls in den Achtzigern hatten Claude und Yves Remy ihre aktivste Bohrzeit. Ohne Unterlass bohrten sie sich durch die Plattenfluchten der Schweizer Alpen. Eine neue Spielform des Kletterns war geboren. Sie bot vor allem physisch weniger starken Kletterern den Zutritt zu einer Welt, die bislang heroischen Zeitgenossen vorbehalten gewesen war. Doch so ganz „Plaisir“ waren ihre Routen damals noch nicht. Erst Jürg von Känel machte die Schweizer Berge mit seinem Plaisirgedanken und den dazugehörigen Kletterführern einem breiteren Publikum zugänglich. 

Sportklettern in den Alpen

Nach und nach versuchte man nun, das Sportklettern auch auf die alpinen Wände zu übertragen. Waren es anfangs noch die Protagonisten wie Kurt Albert und Wolfgang Güllich, die auch im Schwierigkeitsklettern immer wieder neue Maßstäbe setzten, so sind es heute viele junge Kletterer, die ihr Topniveau in Mehrseillängentouren unter Beweis stellen möchten. Vielleicht ist dies die logische Weiterentwicklung. Denn zehn oder mehr Seillängen in den höchsten Schwierigkeitsgraden wollen erst mal an einem Tag geklettert werden. Den Startschuss dafür gab in meinen Augen Lynn Hill mit ihrer Eintagesbegehung der „Nose“ im kalifornischen Yosemite. Aber auch Kurt Albert und sein Partner Stefan Glowacz haben uns an der Gelben Mauer mit den „Perlen vor die Säue“ eine absolute Toproute hinterlassen. Durchgehend leicht überhängend, ist sie eine der schönsten Ausdauerrouten in den Dolomiten. 

 

 

 

| Perlen vor die Säue an der kleinen Zinne - eine der vielleicht besten Ausdauerrouten in den Alpen.

Einen ganz anderen Ansatz dagegen verfolgte Heinz Mariacher. Er wollte höchste Schwierigkeiten auch ohne den Einsatz von Bohrhaken klettern. Mit den “Modernen Zeiten“ hinterließen er und Luisa Iovane den mutigen und risikofreudigen alpinen Sportkletterern ein knallhartes Testpiece, das auch heute noch alles abverlangt.  

Vergessen dürfen wir an dieser Stelle natürlich nicht die vielen Qualitätsrouten an den Wendenstöcken. Für die Entwicklung des modernen Klettersports kann die Arbeit von Kaspar Ochsner gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – auch wenn die Euphorie an manchen Tagen anscheinend bei ihm und seinen Kollegen keine Grenzen kannte und sie mit deftigen Runouts über das Ziel weit hinausschossen. Etwas weniger Risiko hätte es sicherlich auch getan. Aber wahrscheinlich wäre der „Mythos Wenden“ dann nicht entstanden. 

 

 

 

| Ekke Kopp im Excaliburpfeiler in den Wendenstöcken.

Die Gegenwart

Trotz des nach wie vor ungeheuren Potenzials

in den Alpen ist es schwer geworden, noch

Perlen oder perfekten Fels zu finden. Aber

vereinzelt blitzen sie auf wie funkelnde Sterne.

Man muss als Wiederholer nur lange genug

suchen und als Felsflächenneulandforscher

genug Geduld mitbringen. Und über die Qualität

der Routen entscheidet kein Führerautor und

keine Internetcommunity. Es seid ganz alleine

Ihr, an einem sonnigen Tag, den Euch das

Leben schenkt.

 

| Technoparty an der Cheselenfluh.

Die 150 schönsten modernen Kletterrouten der Alpen

Verdon

Aiglun

Meeralpen

Ubaye

Dauphiné

Mont-Blanc

Bergell

Schweiz

Nordalpen

Dolomiten

93 Lastoni di Formin “Super Tegolina” VII+

94 Lastoni di Formin “Gente di Mare” VIII–

95 Casoni di Formin “Buon compleanno Nat” VIII–

96 Bastione de Mondeval “Evergreen” IX–

97 Torrione Marcella “Nikibi” VII+

98 Großer Falzaregoturm “The Wall” VIII

99 Großer Falzaregoturm „Dibona“ VII–

100 Kleine Zinne “Perlen vor die Säue” IX–

101 Große Zinne “Comici” VII

102 Rienzwand “Hat Spaß gemacht” VII+

103 Punta Ellie “N-Wand“ VI–

104 Scalet delle Masenade “Via Decima” V+

105 Pala delle Masenade “Colatoio Bonetti” VI–

106 Erster Sellaturm “Delenda Carthago” VII

107 Zweiter Sellaturm “Messner” VI 

108 Salami “Comici” VI

109 Brunecker Turm “Ottovolante” VIII+

110 Brunecker Turm “Oro e Carbone” VIII

111 Mur Occidentale de Pisciadù »Acquafun« VII–

112 Sass Pordoi “4 giorni un’estate” VIII 

113 Sass Pordoi “Fedele-Dibona” V

114 Punta Rocca “Moderne Zeiten” VIII+

115 Pala del Rifugio “Esposito” V+

116 Pala del Rifugio “Castiglioni-Detassis” VI– 

117 Pala del Rifugio “Frisch-Corradini” VI–

118 Sass d’Ortiga “Wiessner-Kees” VI–

119 Cima dei Lastei “Perla Nera” VI+

120 Cima della Madonna “Schleierkante” VI+ 

121 Parte Oscura de la Luna (1.650 m)

Stalker“ VII+ (eKN VII)

Sankara“ VII (eKN VI+)

A come Andromeda“ VII (eKN VII)

Pachamama“ VII (eKN VII)

Sentiero Ho Chi Min“ VI+ (eKN VI+)

Parte Oscura della Luna (P. 1.963 m) N-Wand 
»Indian Summer« VII– (VI+ obl.) 
»Legoland« VII (VI+ obl.) 
»Orwell« VII– (VI+ obl.) 
»Blade Runner« VII (VI+ obl.) 
»Hall 9000« VII+ (VII– obl.) 
»De Profundis« VII– (VI+ obl.)

Brenta

Gardaseeberge

Valle dell'Orco

Region Aosta

Wir wünschen euch den gleichen Spaß wie wir ihn hatten und eine immer gesunde Heimkehr. Wenn ihr mit unseren Büchern und Topos zufrieden seid, empfehlt uns gerne weiter und schenkt uns einen like auf unseren Social-Media-Kanälen.

 

Betzenstein, an einem verregneten Frühjahrstag

Volker Roth

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