Nachdem wir am Vortag schon klassisch am Riffler unterwegs waren, dachte ich mir: Warum nicht gleich den Sarg hinterherschieben. Die Bedingungen waren sehr gut.
18 Grad und ein bewölkter Himmel.
Ich stand früher schon einmal unter der Wand, hatte aber für mich dann doch entschieden, daß ich so etwas eigentlich nicht haben muss.
Jahrzehnte später und dank vieler Elbsandsteinbesuche um etliche Erfahrungen reicher, hatte ich einfach mal Lust auf ein paar fränkische Abenteuer.
Für schwere Routen ist der Trainingszustand einfach zu weit im Keller und ob es noch einmal reichen wird, alte Säcke abzuhängen, steht in den Sternen.
Klettern ist ein Lebensgefühl
Für mich hatte Klettern schon immer mehr zu bieten, als einfach "nur" hohe Zahlen. Die vielen Facetten, Stilrichtungen und Felsarten machten es für mich zu dem Sport, den ich so sehr liebe. Es gibt gute Tage, und Tage an denen es so gar nicht laufen will. Und es gibt manchmal den einzigen Tag im Leben, wo du für dich eine Höchstleistung abrufen kannst, die du nicht mehr im Stande bist, jemals zu wiederholen. Das sind Momente des Glücks, die man nie vergessen wird und unlöschbar auf der Festplatte abgespeichert sind. Das ist pures Gold!
Auf eine ganz andere Art und Weise können Routen, die man aus "eigener" Kraft meistert, ebenfalls eine innere Zufriedenheit geben. Und genau solche Wege findet man eben im Elbsandstein, vereinzelt in den Alpen und einige wenige auch in der Fränkischen. Der Sarg ist so einer.
Sei mutig, sei stark!
Steht man unter der Wand, wirkt die Linie eindrucksvoll, ja erdrückend. Wer sich hiervon einschüchtern oder beeindrucken lässt, sollte besser gleich gar nicht erst einsteigen.
Man muss es über viele Jahre gewohnt sein und damit umzugehen wissen. Vom kletter- und sicherungstechnischen Fachwissen mal ganz abgesehen. Hier geht es nicht um Sportklettern. Im unteren Schulterrißkamin wird schon mal der Tarif durchgegeben. Abgerechnet wird dann aber ganz oben im abdrängenden Schulterriß. Zwar nicht überhängend und auch keineswegs pumpig aber man muss sich eben zu bewegen wissen. Und wer das sowieso schon hohe Risiko nicht noch weiter nach oben treiben möchte, sollte mit seinen "Freunden" schon lange "per Du" sein. Problem ist, dass diese im unebenen fränkischen Kalk bei weitem nicht so gut liegen, wie im Granit. Hier ist also zusätzliche Vorsicht und Erfahrung von nöten, was natürlich einige Extrakörner kostet. Das bei so einer Linie die Sicherungspunkte großzügig zu verlängern sind, sollte man niemanden sagen müssen.
Im Detail kann ich für Aspiranten und Wiederholer folgende Hinweise geben:
Der erste Haken lässt sich sowohl von links, mittig und rechts gut anklettern und es kann mobil abgesichert werden.
Zum zweiten, den ich hinter meinem Rücken fast übersehen hätte, weil man mit der rechten Schulter im Kamin steckt, hilft nur ein abgebrühtes Gemüt und Nerven behalten. Dieser ist - für Fränkische Verhältnisse sehr ungwöhnlich - sogar relativ durchdacht platziert. Direkt darüber ist es mal kurz wacklig. Früher gab es diese beiden Haken wohl nicht...
Danach führt "leichtes" Gelände zum Haken unter dem Rißdach. Die Querung ist nicht allzu schwer aber man hat leider im Falle eines Falles immer die rechte Verschneidungswand und die Blöcke vor Augen, was man besser gleich ausblendet. Wir sichern übrigens mit einem Achter um so seeehr viel Seil durchlassen zu können, was mit anderen Sicherungsgeräten unmöglich ist. Nur so am Rande bemerkt.
Möchte man sich gleich im Wandbuch eintragen und aus Neugier, wer hier alles so unterwegs ist, einen Zwischenstop einlegen, entscheidet sich entweder in guter Sächsischer Manier für ein "af" (alles frei, mit Ruhen am Ring) oder den fränkischen Rotpunkt. Leider wurde das alte Buch 2021 gegen ein neues ausgetauscht. Die Begehungszahlen wären durchaus interessant. Vielleicht ist die Route noch gar nicht "ausgezählt", wie man in Sachsen sagen würde.
Weiter geht es nun zur Crux. Dort bietet der "Sargnagel" rechts außen nun einen zusätzlichen Sicherungspunkt, der allerdings gar nicht so einfach einzuhängen geht. Mit einer fixen Knotenschlinge, einem Friend 4 und 2, ggf. 3 lässt sich das ganze allerdings sehr komfortabel absichern. Schulterrisse muss man allerdings schon mögen, denn ich glaube als Hangel oder Wand fühlt sich das vermutlich nicht ganz so gut an.
Auf dem letzten Meter darf man sich dann auf fantastische Ausstiegshenkel an der rechten Kante freuen. Und wohl kaum einer wird sich einen Juchzer, der durchs Wiesental hallt, verkneifen können.
Zufrieden mit dem Tag und meiner Leistung habe ich mir dann nochmal ein genüssliches Toprope gegönnt um eine rein klettertechnische Schwierigkeisteinschätzung abgeben zu können. Für mich drängte sich ein Vergleich mit den Sächsischen Meisterwegen auf. Eine 8a dürfte es somit schon sein. Für Franken übersetzt heißt das VII-/VII. Der Anspruch dieser Route besteht jedoch, genau wie im Elbsandstein, in ganz anderen Dingen. Und nach Zigtausenden Klettermetern freue ich mich ab und zu mal, mit einer jahrzehntelangen Erfahrung im Rucksack, so unterwegs sein zu können. Quasi mal den "Gorilla" auszuführen. Und manche werden sich beim Lesen dieser Zeilen vielleicht verwundert die Augen reiben.
"Man sollte einen Menschen nicht be- oder verurteilen, ohne einige Meilen mit ihm gegangen zu sein".
(Indische Weisheit)
Berg Heil!
Volker Roth
Frankenplaisir
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