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Weck, Worscht un Woi - www.Pfalz.de

In der Pfalz werden Traditionen gepflegt - nicht nur beim Klettern. Bodenständige Menschen, im Alltag. Man mag es gemütlich und Hektik scheint ein Fremdwort. Eigenschaften die ich nur all zu gerne nachvollziehen mag. 

Bevor es mich ins Frankenjura zog zählte die Pfalz, neben den Odenwälder Steinbrüchen, zu meinen "Heimatgebieten", wo ich das Klettern von der Pike auf erlernte. Im Nachgang war dies ein Segen, so dass traditionell abzusichernde Routen mich selten vor unüberwindbare Probleme stellten. 

Die vielen Besuche im Elbsandstein veredelten dann noch die vielfältigen Sicherungstechniken.

Nachdem dieses Gebiet für uns nicht gerade um die Ecke liegt und vieles andere neu entdeckt werden wollte, dauerte es geschlagene 25 Jahre bis ich nun mal wieder in Kindheits- und Jugenderinnerungen schwelgen durfte. 

In der Pfalz wurde ähnlich wie in anderen Gebieten Klettergeschichte geschrieben. Auf heroische Erstbegehungen folgten Jahrzehnte technischer Kletterei, bis eine Gruppe "junger Wilder" - allen voran Wolfgang Güllich - nicht nur die Schwierigkeitsskala sprengte, sondern auch noch konsequent frei kletterte. Was folgte war ein Hakenkrieg, wie in fast allen deutschen Klettergebieten. Griffe wurden mit Öl beschmiert, genau wie auch heute noch am Nonnenfels, links des berühmten "Jubirisses" zu sehen. Naja, was soll man sagen?

 

Für geübte Risskletterer eigentlich keine "große Sache", wenngleich der Schwierigkeitsgrad (VII-) natürlich als reines Understatement zu verstehen ist. Für Sportkletterer kann die Route schon zu einer ordentlichen Knacknuss werden und nicht selten ziehen diese, schlecht gelegte Sicherungen, wie einen Reisverschluss aus der Wand. 

Gleich gegenüber steht die Klosterwand, von der einmal Reinhard Karl sagte: "Man kann hier genauso viel erleben wie in den Alpen."  Hier findet meine Seele ihr ICH; hier bin ich zuhause."

Ein Muss für Liebhaber historischer Wege. Rosinenpicker geben dem direkten Ein- und Ausstieg den Vorzug. 

Nach all dem erliegt man vielleicht schon dem Duft des Weißbieres, der vom Bärenbrunner Hof hinauf an die Felsen zieht. 

Oder man macht es sich auf der Zeltwiese gemütlich. Jahrzehnte war "der Hof" ein Treff der lokalen Kletterszene. Heute trifft man eher Menschen mit Porsche, SUV's und Sonnenbrille auf der Nase, die an schönen Sommertagen dort hinauf pilgern und zeigen was sie haben. Multikulti halt...

Uns zog es weiter zu einem weiteren Megaklassiker, der in keinem Tourenbuch fehlen sollte. Die Bockverschneidung an den Lämmerfelsen. Ein Leckerbissen für Rissfreunde. Im Gegensatz zum Elbsandstein kann die Verschneidung hier mit Friends, quasi nach Belieben, zugepflastert werden. Dennoch wird man sich ohne saubere Klemmtechnik und angesichts des Schwierigkeitsgrades von VI- die Augen reiben, was da 1920 schon geklettert wurde. Bei klassischen Wegen sollte man die Grade in den Kletterführern, wie fast überall nicht so genau nehmen und eher als Anhaltspunkte für herzhafte Diskussionen nutzen. Wer weit darüber steht wird eher schmunzeln; wer an seinem Limit unterwegs ist, vermutlich nicht weit kommen.  

Ein Geheimtipp scheint nach wie vor der kleine Birkelfelsen, in Nähe der französischen Grenze. Mit Freude blicken viele Plaisirkletterer hinüber zum Windstein, der mit "Französischer Absicherung" glänzt, während man hierzulande noch Hausmannskost, statt "Haute Cuisine" vorfindet. Mir taugt beides. Doch am liebsten drehe ich in aller Ruhe einsam meine Runden und genieße die Stille des Pfälzer Waldes. Das wird nicht immer so sein aber zumindest sehr oft. 

Aufgrund dieser Tatsache zogen wir es vor uns den Rindsberg Westpfeiler bis zum Montag aufzuheben. Denn dort gibt es inzwischen eine Vielzahl neuer, moderner Routen, wie zu erfahren war. Diese wollten wir zu guter Letzt auch noch testen und wurden nicht enttäuscht. Wobei mich doch eher die klassischen Risse magisch anziehen. Diese Linien sind, dank der einfach anzubringenden "mobilen Helfer" purer Klettergenuss für mich. Und so geht ein langes Pfalzwochenende viel zu schnell zu Ende, wo ich mit etwas Wehmut eine Zeitreise in die Anfänge meiner Kletterzeit unternahm, die mein Leben so sehr prägte, wie vielleicht das von Reinhard Karl. 

"Wirklich oben bist du nie."

Zum ersten Mal denkt man in einer weiteren Dimension: der Vergangenheit. Je mehr man erlebt hat, desto mehr ist man. Man ist nicht mehr Wüstensand, der von jeder Emotion weggeblasen werden kann. Man ist ein Stein geworden, ein "Rolling Stone". Der unaufhaltsam seine Bahn zieht und der fest daliegt, wenn er zur Ruhe gekommen ist.

(Unterwegs nach Hause - Reinhard Karl: Zeit zum Atmen)

 

Bärenbrunner Hof, im Juni 2024

Volker Roth

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