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Ideologen auf dem Vormarsch

"Der Bohrhaken ist der Mord am Unmöglichen", sagte einst der größte Bergsteiger aller Zeiten, Reinhold Messner. Wie schön, dass inzwischen das Unmögliche möglich wurde und so viele Menschen tolle Erlebnissen in den Alpen erleben durften, an statt diese einer kleinen elitären Minderheit vorzubehalten, die von der Salzburger Brause immer wieder zu neuen, flügelverleihenden Harakiri-Aktionen mit Sponsorengeldern angetrieben wird. 

Doch die Ideologie lebt weiter und der Staffelstab wird von Generation zu Generation weitergereicht. 

Es könnte durchaus sein, dass in diesem Sommer mehr Haken abgeflext als neu gebohrt wurden. Viele bekommen das vermutlich überhaupt nicht mit. Warum soll man sich auch mit so einem Unsinn beschäftigen? Doch spätestens wenn man in so einer Route unterwegs ist, wird man zwangsläufig und vielleicht unfreiwillig damit konfrontiert. Das Thema geht uns also alle an!

 

Im übertragenen Sinne könnte man es mit Berthold Brecht halten:

"Die Bürger werden eines Tages nicht nur die Worte und Taten der Politiker zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der Mehrheit."

In diesem Jahr erreichten die Flexaktionen einen vorläufigen Höhepunkt. Wir berichteten bereits aus Korsika, dem Verdon, aus meinem Heimatgebiet, dem Frankenjura und dem Elbsandstein. Es ist inzwischen fast an der Tagesordnung, dass zusätzlich angebrachte oder sanierte Haken wieder entfernt werden. 

Für die erst kürzlich angebrachten Haken an der Fußstein-Nordkante werden die Akkus schon geladen. 

Während sich in der Schweiz Sanierungsgruppen, wie Re-Bolting in den Dienst der Allgemeinheit stellen, mit viel Schweiß und Aufwand Routen sanieren und so der Nachwelt erhalten (ohne dafür Gegenleistungen zu erhalten), werden in den Nordalpen und Südtirol jeden Sommer zahlreiche "unerwünschte" Haken entfernt. 

Groß angelegte Sanierungsaktionen, wie an der Schleierkante, der Herzog- oder Rittlerkante fielen den kriminellen Trads schon vor Jahren zum Opfer. Nachdem die Flexer meist bekannt sind oder sich mit ihren Taten im Netz brüsten, konnten einige unproblematisch zu Schadenersatz verurteilt werden. So erst kürzlich erst im Fall Megos/Bock im Frankenjura, zu 5000 EUR. Oder im Fall Profit am Mont-Blanc Normalweg, zu lumpigen 600 EUR, wo er 2022 Sicherungsstangen entfernte und nun 2024 sogar zum Wiederholungstäter wurde. Welch Geistes Kind müssen solche Menschen sein? 

In den Wendenstöcken wurde von Michal Pitelka und Yannick Glatthard kurzen Prozess gemacht und die "Gran Paradiso" (8c) von Jörg Andreas komplett abgebaut, nur weil der Erschließungsstil nicht ihrer Ethik entsprach.

Leben wir inzwischen in einer Anarchie?

Über "Sanierungen" wie den Supertramp am Bockmattli kann man ja noch diskutieren. Wobei es mich als Erstbegeher doch eher freuen würde, wenn meine Routen wiederholt werden, anstatt sie auf Kletterführeraltpapier und nicht nur dort vermodern. Aber damit kann man natürlich nicht seinen Marktwert steigern. Nur wenn viele Aspiranten an Touren scheitern und "abprechteln" (eine Wortschöpfung aus dem Hochköniggebiet) steigt der Wert derer, die sich heroisch hochgefürchtet haben. 

Aber was ist ein Bild wert, dass niemand anschaut?

Ich würde sogar sagen: Wir sind den altehrwürdigen Erstbegehern aus dem vorigen Jahrhundert verpflichtet ihre Touren durch sanfte Sanierungen der Nachwelt zu erhalten. Siehe hierzu auch "Topo misterioso".

Gerade in Südtirol gibt es sicher mehr als 20.000 traditionelle Routen, die so gut wie nie wiederholt werden. Ich verstehe nicht wie eine Route auf "öffentlichem Grund" jemand als sein Eigentum betrachten kann? Nach 50 Jahren ohne Wiederholung könnte diese durchaus wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden - oder? Wenn zum Beispiel in der Gr. Zinne/Comici an den Ständen je ein BH steckt wäre das mehr als angebracht. Wen würde das stören? Viele wollen auch gerne "traditionell" in viel begangenen "Social-Media-Touren" unterwegs sein aber kein wirkliches Abenteuer. Quasi die Katze kraulen aber nicht mit dem Tiger tanzen

Die rechtliche Seite wurde im Buch "Klettern und Recht" von Maria Auckenthaler und Norbert Hofer bereits vor vielen Jahren ausführlich dargelegt. Sobald Haken angebracht werden, sind sie "offizielles" Eigentum des Besitzers, der die Erschließung geduldet hat und wer diese entfernt, begeht eine Straftat und kann verurteilt werden. Im Elbsandstein werden hierzu schon Wildtierkameras aufgestellt um die Täter dingfest zu machen. Leider oder vielleicht auch zum Glück für uns gibt es nur wenige Präzedenzfälle. Und für uns alle führen diese am Ende nur dazu, dass wir, wie in vielen französischen Klettergebieten bereits vollzogen, nicht mehr unseren Sport ausüben können, weil diese vorsorglich von den Gemeinden, sprich vom Eigentümer gesperrt wurden. Eigentümer, also der Staat sind WIR alle! Aber wenn wir die wenigen Anarchisten nicht in die Schranken weisen, werden Hunderttausende immer und immer wieder unterjocht und bitter darunter leiden.

Für mich sind diese Taten das Abscheulichste. Nicht einmal mit den furchtbarsten Worten können diese Taten und der Geisteszustand dieser Menschen umschrieben werden. 

Ich will und kann hier nicht mehr nur einfach Schulterzucken. Wenn sich niemand engagiert und alle tatenlos zusehen, enden wir im Klettersport genau dort, wo wir politisch in Europa hinsteuern, nur weil viele nicht aus ihrem bequemen Sessel herauskommen. Ob mit unseren Büchern oder wie hier mit meinem topoguide-Magazin. Wir haben immer auf "Missstände" hingewiesen, nicht selten dafür von einigen Ewiggestrigen ordentlich Kritik unter der Gürtellinie auf die Ohren bekommen aber uns dafür morgens immer noch im Spiegel anschauen können. Steht auf! Habt Eier! Und engagiert euch. Auf Frankenplaisir, bei Re-Bolting in der Schweiz, beim Visionär Michel Piola (CHX) oder bei den Freunden von J.-M. Cambon könnt ihr das tun, um nur ein paar zu nennen. Natürlich kann man auch "pluralistisch" über den AVS (Alpenverein Südtirol) an den alten Normalhaken in Südtirol festhalten, wenn sie denn noch halten...

 

Es ist immer noch besser ein kleines Licht anzuzünden, als im Dunklen zu sitzen. 

 

Volker Roth, Betzenstein im Flexersommer 2024

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