Eigentlich ist der Mare e Monti" ein Fernwanderweg auf Korsika. Doch trifft der Name für unseren Spätsommerausflug vollumfänglich zu.
Erst "climb & swim" in Sardinien. Danach zog es uns schneller wieder in die Alpen, als dies geplant war. Aber lest selbst, alles der Reihe nach.
Nach den tollen Erlebnissen im letzten Jahr war ein weiterer Besuch längst abgemachte Sache, denn vieles verändert sich ja bekanntermaßen in Lichtgeschwindigkeit. Also nichts wie zurück auf die Insel, so lange der Fels noch seine Zähne zeigt. Diesmal lag unser Schwerpunkt - wie eigentlich fast immer - auf den MSL-Touren. Die "Top-Insta-Spots" konnten wir guten Gewissens umgehen und das Treiben dort aus der Ferne betrachten. Die "Marinaio Foresta" in Pedra Longa und die "Easy Gymnopedie" an der Goloritze sind längst zum Abschuss freigegeben und letztere hat ihr Speckendstadium schon vor vielen Jahren erreicht. Und die "Marinaio" ist nicht weit davon entfernt. Social Media sei Dank! Die Zukunft erfordert somit zumindest für uns eine ganz andere, sehr differenzierte Herangehensweise.
Eine perfekte Strategie hierfür habe ich noch nicht parat aber eines scheint klar: Dinge die auf Insta, park4night oder auf sonstigen Selbstdarsteller-Kanälen beworben werden muss man sondieren, im Auge behalten, um eben dort NICHT aufzuschlagen. Menschen, die in diesem Umfeld aufwachsen und sich kaum noch eine eigene Meinung bilden, geschweige denn die Auswirkungen ihres Tuns abschätzen können, sind nicht zu beneiden. Umso schlimmer für meine Generation, die jahrzehntelang ohne Probleme reisen, in Ruhe übernachten und chaosfrei klettern konnte.
Glücklicherweise sind nicht ganz so viele Menschen in MSL-Touren unterwegs und wenn überhaupt in den oben genannten. Und beim Sportklettern kann man ja meist auf eine freie, oftmals genauso hübsche Nachbarroute ausweichen, die nicht als Sau durchs Netz getrieben wird oder mit vielen Sternen zum Abschuss freigegeben wurde.
Als "Best-Ager" können wir auch noch früh aufstehen. Und haben meist einen Plan B in der Tasche, einen Wetterbericht auf dem Smartphone und genug Erfahrung, um trotz aller fehlenden Infos aus den Netzveröffentlichungen - auf die leider auch wir inzwischen angewiesen sind, weil es immer weniger Gedrucktes gibt - dies zu kompensieren und einzuordnen. Denn nach wie vor werden Kletterer durch tiefgestapelte Bewertungen und Zeitangaben in Routen gelockt, wo sie eigentlich nicht hingehören. Was man dort inzwischen erleben kann sprengt bei mir jegliches Vorstellungsvermögen. So waren zum Beispiel täglich 5-6 Schweizer Seilschaften in der "Cervo di Piazza" als "Platzhirsche" unterwegs, um sich gegenseitig in Dreier- und Fünfergruppen aus der Wand zu kegeln. Anderen Ortes trafen wir Engländer mit einem fetten 11!!! mm - 80 m Einfachseil in einer Tour mit 50 m-Abseilstrecken. Dazu Grigri als Sicherungs- und "Abseilgerät" und die Frage wie man mit einem Reverso abseilt...!? Das ganze wurde auf unserer Rückreise noch von Italienern getoppt, die wiederum zu fünft, jeder mit mehr als 20! Friends am Gurt, 10 kg Rucksack und Risshandschuhen, bis an die Haarspitzen bewaffnet, in der 90kg-Klasse kämpfend, in 5 kurze 20m-Seillängen einstiegen, für die wir dann gemeinsam, ohne genug Verpflegung, mehr als 4 Stunden im Stau standen. Nicht einmal die einfachsten Klettertechniken waren vorhanden, geschweige denn Risskletterskills oder Erfahrungen für diese Art klassischer Routen. Dazu gibt es halt keine Infos oder Hinweise in der virtuellen Tourenbeschreibung. Dafür jedoch nach wie vor saftige Unterbewertungen. Man kann ihnen also gar keinen allzu großen Vorwurf machen. Sie haben sich eine 5c Route heraus gesucht, bekamen jedoch 6a+ obl. serviert.
Wochenenden, Feiertage und Ferienzeiten sind sowieso zu meiden. Zu einfache Plaisirtouren ebenfalls, es sei denn sie sind brandneu und noch weitestgehend unbekannt. Was hatten wir nur für ein Glück, in einer Zeit unterwegs sein zu können, als es noch kein Internet gab oder gerade am entstehen war!
Eine weitere interessante Beobachtung war auch die Bewertung einer Route mit 1* im Netz, die sich für uns als die Beste der ganzen Reise entpuppte. Wir verzichten hier aus den genannten Gründen bewusst auf Namen, wie ihr vielleicht schon gemerkt habt. Und möchten statt dessen darauf hinweisen, dass gute, selbst recherchierte Infos Zeit, Arbeit und Geld kosten, das viele nicht mehr bereit sind zu investieren. Klar! Es gibt ja alles kostenlos im Netz. Leider halt mit einem Informationsgehalt, mit dem man eigentlich nicht mehr vernünftig planen kann, meist eine Wundertüte bekommt und nicht selten Klettertage im Chaos und als Fiasko enden oder gar nicht erst beginnen...
Wer an korrekten und aussagekräftigeren Routenbeschreibungen interessiert ist und unsere Topoguide-Qualität schätzt, kann sich gerne melden und für eine etwaige Druckversion registrieren.
Nachdem sich wie in vielen anderen Gebieten dieser Welt Multimilliardäre eingekauft haben und ganze Areale abschotten, wirft das weitere unlösbare Probleme auf.
Dazu wie überall zu viele Partypeople die noch nie etwas vom gesellschaftlichem Miteinander gehört haben und sich benehmen wie die Axt im Wald. Laute Unterhaltungen und "Uffz-Uffz" bis mitten in die Nacht. Hundertfaches Türenschlagen, weil sie sie nie gelernt haben sich zu organisieren. Und noch vieles Unerträgliche mehr.
Sprecht diese Leute an, erklärt ihnen wie man sich zu benehmen hat, notfalls mit Nachdruck, so lange bis sie es verstehen!
All das veranlasste uns zu einer vorzeitigen Rückreise mit einem längeren Zwischenstopp bei spätherbstlichem Kaiserwetter in den Alpen, um noch einige Klettermeter in aller Ruhe zu genießen.
FAZIT
Die ganze Kritik soll nicht darüber hinweg täuschen, dass wir 25 fantastische, relativ einfache Routen auf bestem, teils messerscharfem Mittelmeerkalk und Tafonigranit klettern und mit qualitativ hochwertigen, verlässlichen Infos im Herz und Tourenordner ablegen durften. Und vielleicht erblicken sie ja im nächsten Spätsommer das Licht der Welt und verhelfen euch zu tollen Erlebnissen, wie wir sie hatten.
Volker Roth
Sardinien/Aosta, im Spätherbst 2024
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