Die Nordwand der Westlichen Zinne zählt zu den ganz
großen Erstbegehungen von Riccardo Cassin, die er
den Münchnern Hans Hintermeier und Sepp Meindl
regelrecht vor der Nase »wegschnappte«. Cassin und
Ratti nutzten dabei geschickt das schlechte Wetter,
schlichen sich im Nebel »wie die Schmuggler« zum
Einstieg. Wer jedoch nicht, wie die beiden willensstarken
Italiener, ein Biwak samt Wettersturz in der Wand
riskieren will, sollte lieber auf stabiles Hochdruckwetter
warten! Denn auch bei guten Bedingungen ist
diese äußerst ausgesetzte Tour mit ihrem legendären
Quergang nach wie vor ein grandioses Erlebnis mit
bleibenden Erinnerungen. Allerdings empfinden die
meisten Kletterer die Wand inzwischen nicht mehr
ganz so überhängend und abschreckend wie früher:
Auch der Fels ist bis auf die ersten Seillängen gut ausgeputzt,
und einige Stände wurden mittlerweile mit einem
Bohrhaken versehen. Viel wichtiger dürften aber
die zahlreichen Zwischenhaken sein, die im mittleren
Wandteil das Vorwärtskommen im Vergleich zu früher
deutlich vereinfachen. Sollten in der 5. und 8. Länge
jedoch Haken kaputtgestürzt sein, hat man die Wahl
zwischen einer technischen Begehung mit A2/A3
(Hammer und Haken vorausgesetzt) oder Freikletterei
im unteren VIII. Grad!