Viele haben die Nordkante des Badile geklettert, andere träumen von der Nordostwand. Aber wer kennt all die abseits des Rummels gelegenen Perlen auf der Südseite?
Im gesamten Gebiet wurden zahlreiche Touren saniert, wobei meist noch genug Spielraum für eigenes Engagement bleibt. So wurden auch in den Modetouren am Badile die Standhaken gebohrt, was deren Beliebtheit noch weiter verstärkte. Als wir vor einigen Jahren die holprige Mautstraße nach Laret hinauf fuhren, staunten wir nicht schlecht über die vielen Autos und wunderten uns, dass wir so kurzfristig noch einen Platz auf der Sciorahütte bekommen hatten. Doch am nächsten Tag erklärte ein Blick zum Badile den Massenandrang am Parkplatz: Wir zählten gut ein Dutzend Seilschaften an der „Badilekante“ und zehn in der Nordostwand, während wir in der nicht weniger anspruchsvollen „Fuorikante“ alleine unterwegs waren.
Das Bergell liegt auf der Sonnenseite der Alpen und ist entsprechend wetterbegünstigt. Nach den Klettertagen in den kalten Nordwänden kann man an den „Badestränden“ im Val di Mello die Akkus aufladen und sich in der Pizzeria Fiorelli bei Holzofenpizza und Profiteroles für den Aufstieg zu einer der weit oben gelegenen Hütten stärken. Oben angekommen, hat man die Qual der Wahl und wird schnell feststellen, dass die vielen schönen Touren noch einen weiteren Aufenthalt erfordern. Denn die Kletterei ist so außergewöhnlich wie die Felsstruktur: Chickenheads, tolle Risse und messerscharfe Kanten sorgen für Abwechslung. Löcher im Granit? Hier gibt es auch das!
Wem die Hüttenaufstiege zu lang sind, für den
gibt’s im Val di Mello immer noch die Ultraklassiker „Luna Nascente“, „Kundalini“ und „Ozeano Irrazionale“. Diese Routen sind nahezu komplett selbst abzusichern, was entsprechende Erfahrung und
eine stattliche Anzahl Friends voraussetzt. Wer es niedriger und nervenschonender mag, findet unzählige Boulder am Wegesrand und in der Nähe des Baches, dessen glasklares Wasser im Sommer für die
nötige Abkühlung sorgt.
Das Tal wird gerne mit dem Yosemite-Nationalpark verglichen. Durchaus zu Recht, denn die mehrtägigen Techno-Bigwalls stehen den großen amerikanischen Brüdern in nichts nach. Und auch hier gibt es
Ice-Cream, Pizza, Burger und andere „fleischige Snacks“ sowie rustikale Übernachtungen im Ristorante Luna Nascente. Leider wurde das legendäre „Camp 4“ am Bach geschlossen. Wen wundert’s? Die
Reichen und Schönen haben eben auch hier alles fest in der Hand und würden vermutlich gern auf den Touristenrummel verzichten. Denn vor allem im August herrscht hier großer Andrang, und der
Zugang ins „Valley“ ist nur noch per Shuttle möglich – oder natürlich zu Fuß.
Vor allem zur Ferienzeit trifft man im südlichen Bergell immer wieder auf Hardcore-Läufer, die einen gehetzten Eindruck erwecken: Sie trainieren für den „Trofeo Kima“, der Ende August stattfindet
und über den gesamten Sentiero Roma führt. Bestzeit unter 7 Stunden, normalerweise eine schöne 3–5 Tages-Wanderung...