Nirgendwo sonst in den Alpen konzentriert sich auf so engem Raum eine solche Vielzahl von Touren aller Arten und Schwierigkeiten wie hier. Von den großen kombinierten Klassikern über
Sportklettereien bis hin zur ultramodernen Mixedroute ist alles vorhanden.
An manchen Bergen sollte man sich jedoch beeilen, seine Wunschtour zu klettern, bevor sie mit Getöse in einer Gletscherspalte verschwindet, denn der Klimawandel hat speziell im Mont-Blanc-Massiv
seine Spuren hinterlassen: An der Dru gab es schon zwei große Bergstürze, am Walkerpfeiler einen, auch am Gervasuttipfeiler
ticken gleich mehrere Zeitbomben, und die Zustiege zum Mont Blanc sowie zu den Frêney- und Brouillardpfeilern sind nur bei besten Verhältnissen ungefährlich.
Da drängt sich natürlich die Frage auf, wo man sich überhaupt noch hinwagen kann. Doch keine Bange: Die Auswahl ist riesig! Und wohl kaum ein Kletterer wird in seinem Leben alle Träume
verwirklichen können. Vor allem kürzere und mittellange Touren gibt es en masse . Diese zählen zweifelsohne zu den schönsten Zielen des Gebietes, stehen jedoch oft im Schatten der hochkarätigen
„Grandes Courses“.
Während man sich in jedem anderen Gebiet der Alpen über eine gelungene 800-Meter-Tour freuen würde, wirkt eine „Anouk“ an den
Petites Jorasses neben dem imposanten Walkerpfeiler leider nur wie eine kleine Ausweichtour. Trotzdem ist sie ein absolutes Traumziel, das man nicht verpassen sollte!
Im Gegensatz zu den hochgelobten Klassikern verlaufen die moderneren Routen im Mont-Blanc-Massiv meist über besten und zuverlässigen Fels. Und wer bis dato noch nicht Rissklettern kann, wird es
hier schnell lernen.
In Punkto Linienführung, Felsqualität und Absicherung sind die Touren eines Mâitre Piola vorbildlich, und sein Gespür für das Besondere ist einzigartig. Fast überall sind die Stände mit Bohrhaken
eingerichtet, dazwischen glänzen nur auf den sonst nicht absicherbaren Platten einige wenige „Silberlinge“. Die Risspassagen müssen dagegen fast ausnahmslos selbst abgesichert werden.
Als hilfreicher Zusatzservice ist der Wetterbericht auch auf den Hütten allgegenwärtig. Und herrscht mal Regenzeit, bilden sich in Chamonix vor dem Office de Haute Montagne (OHM) sowie an den
Kassen der Sportgeschäfte lange Schlangen.
Nach einer gelungenen Tour kann man noch am gleichen Abend in einer der Kneipen das Nachtleben genießen – es sei denn, man schaut vom Biwak an der Dru neidisch auf die vielen Lichter herab.